Viele Pfaffenhofener sind nicht hier geboren sondern erst später zugezogen. Trotzdem haben sie ähnliche Erfahrungen gemacht. Damit diese nicht alle verloren gehen, zeichnet der Heimat- und Kulturkreis Pfaffenhofen einige auf.Leben in einer Dorfschule:1923 bzw. 1925 wurden zwei Mädchen in einem kleinen Dorf im Unterallgäu in eine Lehrerfamilie hineingeboren. Die Familie lebte im Erdgeschoss des Schulhauses am Dorf-Ende inmitten eines großen Gartens. Wie es damals in kleinen Ortschaften mit wenigen Kindern üblich war, wurden alle acht Jahrgangsstufen in einem einzigen Raum unterrichtet. Das Klassenzimmer befand sich im ersten Stock.So konnte die jüngere Tochter immer wenn ihre Mutter mit ihr schimpfte, nach oben flüchten, wo sie sich in eine Schulbank setzte und still abwartete, bis der mütterliche Zorn verraucht war. Nach einem ernsten Gespräch der Eltern wurde sie schließlich nicht mehr ins Schulzimmer eingelassen. Von da an floh sie noch ein Stockwerk höher und suchte ihr Refugium auf der obersten Stufe vor der Speichertür.Nazizeit1931 wurde der Vater Schulleiter in G., südlich von Augsburg, und die Familie zog um. Wieder hatte die Familie eine Dienstwohnung im Schulhaus, zusammen mit andren Lehrkräften. Hier waren jeweils zwei Klassenstufen im Unterricht zusammengefasst. Als Gruß war "Heil Hitler" vorgeschrieben; wer "Grüß Gott" sagte, machte sich verdächtig. Der Vater war zwar Nazigegner, wurde als Beamter aber gedrängt, der Partei beizutreten. Einer der Kollegen im Haus war Ortsgruppenleiter. Er stellte klar, dass ein Wort von ihm die Existenz der Familie zerstören konnte. Gleich zu Kriegsbeginn wurde der Vater eingezogen. Während er in Frankreich kämpfte, hörten zu Hause seine Frau und Töchter heimlich den verbotenen US-Feindsender, mit Wolldecken über die Köpfe und das Radio gebreitet, damit niemand etwas mitbekam, z.B. eine Kollegin, die ganz oben im Schulhaus ihre Dienstwohnung hatte und ihnen nicht gut gesonnen war.Wegen schwerer gesundheitlicher Probleme wurde der Vater aus dem Kriegsdienst entlassen, war aber in den letzten Kriegstagen als Bataillonskommandeur des Volkssturms für die Bewachung der örtlichen Wertach-Brücke verantwortlich. Mit Panzerfäusten sollte die Brücke beim Anrücken der Amerikaner gesprengt werden. Ein paar Tage vor Kriegsende wurde er mitten in der Nacht von der SS aus dem Bett geklingelt?"Warum sind keine Wachen an der Brücke?""Sie sind da! Nur versteckt in den Büschen!""Das wird ein Nachspiel haben!" Für die misslungene Sprengung der Brücke von Remagen wurden die verantwortlichen Offiziere standrechtlich erschossen. Das wurde auch ihm angekündigt. Doch schon zwei Tage später marschierten die Amerikaner ein und der Nazi-Spuk war vorbei. Die Lebensmittelversorgung war auch danach noch problematisch. Zu Kriegsbeginn waren Lebensmittelmarken ausgegeben worden, die Rationen wurden aber immer geringer. So wurde die Lehrersfamilie von hilfsbereiten Nachbarn heimlich mit Milch, Mehl und gelegentlich etwas Fleisch versorgt, zum Beispiel wurde manchmal eine Flasche Milch nach Einbruch der Dunkelheit unter dem Gartenzaun durchgeschoben. Dies wurde zwar angezeigt, blieb aber folgenlos. NachkriegszeitAls die Amerikaner kamen, besetzten sie für zwei Tage das Schulhaus und vertrieben die Familie. Bei der Rückkehr hielt die ältere der beiden Schwestern einen Soldaten auf, der das Radio mitnehmen wollte: "Das gehört uns!", rief sie. "Ein amerikanischer Soldat stielt nicht.", antwortete er und gab es zurück. In der Wohnung hatten die Besatzer nichts verändert, nur ein Bild des Vaters als Hauptmann mit dem Gesicht zur Wand gedreht und eines von ihm als Leutnant aus dem Fenster geworfen. Die Dienstwohnung des Schulleiters bestand aus zwei Schlafzimmern, einem Esszimmer, einem Arbeitszimmer und einer großen Küche. Nach 1945, als Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten einquartiert wurden, weil Wohnraum knapp war, kam eine vierköpfige Familie aus dem Sudetenland ins Haus. Sie bekam zwei Räume zugewiesen: eines der Schlafzimmer und das Arbeitszimmer. Es war nicht immer leicht, auf engem Raum miteinander zurechtzukommen. Erst nach etwa eineinhalb Jahren konnten die Fremden in eine eigene Wohnung ziehen.Während der Zeit der amerikanischen Militärregierung wurde der Vater wegen seiner Parteimitgliedschaft vom Dienst suspendiert (im Alter von 57 Jahren). Wer sollte für den Lebensunterhalt der Familie aufkommen, wenn der "Ernährer" ausfiel? Wo sollte sie unterkommen, wenn sie das Schulhaus verlassen musste? Zum Glück war die ältere Schwester Lehrerin geworden. Sie unterrichtete ebenfalls in G., deshalb durfte die Familie bleiben und hatte ein gewisses Einkommen. Der Vater fand zunächst Arbeit in einer Gärtnerei. Später aber wurde der Vater durch Zeugen vor der Spruchkammer rehabilitiert und wieder als Schulleiter eingesetzt. So dass das Leben wieder in normalen Bahnen verlaufen konnte. (U.B. - November 2015)
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