Neues und Historisches

Geprägt von Geschichte: Gabriele Samuel über ihr Leben

Geprägt von Geschichte: Gabriele Samuel über ihr Leben

i 2. Januar 2017 von C. Erdenreich

Gabriele Samuel steht lachend in ihrem blühenden Garten, einem kleinen Paradies am Rande von Pfaffenhofen. Neben ihr döst einer ihrer zwei Kater, der zweite ist unterwegs – „meine Mitbewohner“ erklärt sie schmunzelnd. Selbstverständlich kümmert sich die 87-jährige selber und Haus und Garten, sie fährt mit dem Auto zum einkaufen, ist im Oktober 2002 "aus Interesse" dem Heimat- und Kulturkreis beigetreten.
Trotz Schicksalsschlägen und einem alles andere als einfachem Leben blieb sie immer fröhlich, optimistisch und offen.

Gabriele Samuel, deren Leben stark von den Ereignissen des letzten Jahrhunderts beeinflusst wurde, ist bis heute interessiert an Menschen wie Ereignissen, an Geschichte wie Tagesgeschehen. Sie wurde 1927 in Bad Königshofen geboren, der Vater war Beamter, auch die Mutter, durchaus ungewöhnlich für die Zeit, war berufstätig, vor der Ehe als Gesellschafterin tätig. Die Mutter blieb eine aktive, engagierte Frau, war beim Roten Kreuz, im Tierschutzverein. Das hat Gabriele Samuel sicher beeinflusst.

„Unseren Stammbaum können wir bis ins 17. Jahrhundert zurück verfolgen“ erklärt die alte Dame stolz. Geschichte hat sie immer interessiert, ihr Blick auf die Vergangenheit blieb stets neugierig und kritisch. Gabriele Samuel kann sich noch immer gut an die Kindheit erinnern, sogar an die Zeit vor 1933, an die politischen Ereignisse und auch daran, was das für ihre Familie und ihren Werdegang bedeutete.
Ihr sozial engagierter Vater war während des Zweiten Weltkriegs Bürgermeister in Bad Königshofen, wurde dann natürlich entlassen, die Familie musste Sanktionen und Schikanen hinnehmen.

Nicht nur ihr jüngerer Bruder erhielt eine Ausbildung, auch sie selbst besuchte die Oberschule in Lohr am Main. Da der Vater Diplom-Landwirt war, wollte sie Landwirtschafslehrerin werden, gab aber nach einem praktischen Jahr auf einem Gutshof auf, das lag ihr einfach nicht. Wer die zarte, schmale Frau heute sieht, glaubt sofort dass sie auch als junges Mädchen nicht so kräftig zupacken konnte.

Sie wollte Abitur machen und studieren, aber als sie 18 wurde war gerade der Zweite Weltkrieg aus, es gab für sie nur wenige Möglichkeiten. Der Vater war in Russland, die Familie musste zusehen, wie sie zurecht kommt. Die Familie war arm, die Lebensmittel knapp. Ein ehemaliger Kommunist aus der Nachbarschaft, der inzwischen als Hausmeister bei den amerikanischen Truppen arbeitete, half weiter. Er verschaffte Gabriele, die gut englisch konnte, eine Stelle als Dolmetscherin bei der Grenzpolizei, womit sie die Familie ernähren konnte. „120 Mark habe ich damals verdient“ erinnert sie sich.
Nach einem Jahr wurde sie Sekretärin bei der US-Armee, 1948 ging sie ins Landratsamt als Schreibkraft, später zur Grenzpolizei nach Bad Neustadt.
Berufstätigkeit war für die junge Frau, die sich als „sehr brav“ bezeichnete selbstverständlich, die Familie wäre sonst nicht durchgekommen. Sie ermöglichte mit ihrem Einkommen auch dem Bruder ein Studium.

Auch Gabriele Samuel absolvierte die Ausbildung für den gehobenen Dienst in der Bayerischen Verwaltung. Viel Zeit für Privatleben blieb nicht, sie war fleißig und ehrgeizig „ich ging ganz früh ins Bett und stand um drei Uhr morgens auf zum Lernen“ erklärt sie die Strategie. Ihr Einsatz zahlte sich aus, von 193 Teilnehmern belegte sie den 3. Platz in der Prüfung, mit „sehr gut“.

Nun stand ihr zwar nicht die Welt, aber zumindest Bayern offen, sie sprach selber beim Innenministerium in München vor und erhielt 1959 eine Stelle in Dachau, die sie erfreut annahm. Für Sozialhilfe war sie zuständig, ein Gebiet, das ihr sehr lag.
Zunächst wohnte sie zur Untermiete bei einer Familie, durchaus üblich für die damalige Zeit, später kaufte sie sich eine Wohnung.

Auch Reisen gehörten in den frühen 60er Jahren nicht zum Alltag, doch Gabriele Samuel war neugierig auf die Welt und nahm an einer Busreise nach Italien teil. Auf der Reise lernte sie ihren Mann Erich kennen, der 20 Jahre älter war als sie und schon vor dem Krieg ins Ausland gegangen war, weil er Jude war, wie sein Name schon nahelegt. Nach dem Urlaub blieben sie im Kontakt, in ihrem kleinen Auto fuhren sie durch Bayern und dabei hat es „gefunkt“ erklärt Gabriele Samuel lachend.

Ihr zukünftiger Mann blieb länger als geplant in Deutschland, löste schließlich seinen Haushalt im Ausland auf und zog zu ihr. Wenige Monate später heirateten sie, obwohl ihre Familie wegen seines Glaubens nicht damit einverstanden war. 15 Jahre lang führten sie eine glückliche Ehe. Mit 50 hörte sie auf zu arbeiten, bereiste mit ihrem Mann die Welt, und die beiden suchten einen „Garten mit Haus“. So kam sie 1983 nach Pfaffenhofen, wo sie bis heute lebt und sich zu Hause fühlt.

Nach dem Tod ihres Mannes war sie zwei Jahre lang wie gelähmt, doch dann suchte sie sich ganz bewusst eine neue Aufgabe, fragte bei der Caritas nach.
Gabriele Samuel baute dann das Seniorencafe auf, das zuerst am Bistumerweg, dann am Hofberg seinen Sitz hatte. Zehn Jahre engagierte sie sich dafür, machte aus einer Idee eine erfolgreiche Institution. Bis zu 50 Leute kamen zu den Treffen, es wurden gemeinsame Ausflüge gemacht.

Gabriele Samuel denkt an diese Zeit wie an alles in ihrem Leben gerne zurück. Sie hat Fotos von frühester Kindheit an bis heute. Die alten Fotos zeigen ein schüchternes, fröhliches Mädchen, aber sie sind auch Zeitzeugnisse, ein Besuch Hindenburgs in ihrer Heimat ist zu sehen, Parteiaufmärsche, Kriegszerstörungen.

Heute bedauert sie nur, dass sie nicht mehr Reisen kann, mit den alten Freunden auch aus dem Ausland ist sie dennoch in Kontakt. Und sie übernimmt wie selbstverständlich Aufgaben in den Vereinen, macht Ausstellungsaufsichten wie die jüngeren Mitglieder. Sie würde in ihrem Leben alles noch einmal genau so machen, betont sie.

(Text und Foto: Claudia Erdenreich, Mai 2015)


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