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Rosa Bausewein, geborene Zollner (11. 5. 1928 - 13. 9. 2023) Rosa Bausewein, geborene Zollner (11. 5. 1928 - 13. 9. 2023)

Rosa Bausewein, geborene Zollner (11. 5. 1928 - 13. 9. 2023)

i 25. September 2023 von U. Beyer

Anlässlich ihres Todes veröffentlicht der Heimat- und Kulturkreis Pfaffenhofen mit freundlicher Genehmigung ihres Sohnes die 2016 aufgezeichnete Lebensgeschichte seines langjährigen Mitglieds Rosa Bausewein, geborene Zollner.

Sie wurde am 11. Mai 1928 in Feldkirchen bei Ingolstadt als erstes Kind des Ehepaares Max und Barbara Zollner geboren. Die Mutter stammte aus einem kleinen Bauernhof, der Vater war Schlosser im Reichsbahnausbesserungswerk in Ringsee. Ihr Leben stand wie das ihrer Zeitgenossen unter dem Einfluss von Krieg, Wiederaufbau und der Entwicklung unserer Stadt.

Elternhaus und Kindheit



1936 zog die Familie nach Pfaffenhofen, pachtete das Haus in der Auenstraße 36, an der Ecke der gleichnamigen Gasse, die zur Oberen Stadtmauer führt. Der Hausbesitzer, Georg Gürtner, hatte in diesem Jahr in der Süddeutschen Klassenlotterie eine hohe Geldsumme gewonnen. Davon kaufte er sich in München ein großes Mietshaus in der Landsberger Str. und zog dort hin.

Max Zollner übernahm Gürtners Geschäft. Im Laden verkaufte er Fahrräder und Motorräder, in der angeschlossenen Werkstatt führte er Reparaturen durch. Spezialisiert war er auf Sachs- und heute nicht mehr existierende Ilo-Motoren. Der Kundenstamm bestand nicht aus Pfaffenhofener Bürgern sondern aus dörflichen Bewohnern im Umland. Er überschnitt sich auch nicht mit dem des fast benachbarten Fahrradgeschäftes Blank in der Auenstraße.

Bei Kriegsausbruch war Max Zollner bereits 40 Jahre alt und musste deshalb nicht mehr als Soldat einrücken. Statt dessen wurde er dienstverpflichtet zur Arbeit in einer Ingolstädter Munitionsfabrik. Das Geschäft war solange geschlossen, weil in dieser harten Zeit sowieso niemand ein Zweirad kaufte.
Vom Laden und von der Werkstatt führte jeweils ein Tür ins Herz des Hauses: die Wohnküche, in der sich das Familienleben abspielte. Dort standen, wie damals üblich, einem Kochherd, der den Raum auch gemütlich wärmte, eine "Ottomane" (eine Art Sofa), eine Eckbank etc., und seit 1953 etwas ganz Modernes: einen Bosch Kühlschrank um 770 DM!
Badezimmer und WC gab es anfangs noch nicht, nur ein Plumpsklo auf dem Hof und eines am Ende einer hölzernen Altane (einer Art Balkon) im Obergeschoss. Die Tochter Rosi hatte oben neben dem Elternschlafraum ihr eigenes Zimmer. Das war damals nicht selbstverständlich.

Da es in Pfaffenhofen noch kaum Autos gab, konnten die Kinder aus der Nachbarschaft ungefährdet auf der Straße spielen. Besonders geeignet war die ungepflasterte Seitenstraße, die zur Oberen Stadtmauer führte, denn dort konnte man zum Schussern kleine Gruben in die Erde machen oder mit einem Stöckchen die Felder fürs "Häusl-Hupfen" aufzeichnen. (Erst ca. 1965/67 wurde die Auenstraße kanalisiert und geteert.)
Auch auf den Nachbargrundstücken war den Kindern erlaubt zu spielen, zum Beispiel auf dem landwirtschaftlichen Bortenschlagerhof, wo es neben allem möglichen Getier viel zu entdecken gab.


Ausbildung



Nach Abschluss der "Volksschule" an Ostern 1942, begann für die Mädchen das sogenannte Pflichtjahr. (Zur Zeit des Nationalsozialismus mussten alle jungen Mädchen ein Jahr lang in der Haus- oder Landwirtschaft arbeiten.) Rosa arbeitete bei Hohlwegler in der Pechleite als Haus und Kindemädchen für 10 Reichsmark im Monat. Als im gleichen Jahr ihre Schwester geboren wurde, durfte sie den Rest des Pflichtjahres zu Hause ableisten.
Danach meldeten sie die Eltern an der Sabel-Handelsschule in der Münchener Kaufingerstraße nahe dem Marienplatz an. Dort lernte sie unter anderem in Wirtschaftskunde schon die damals gängigen Englischen Fachbegriffe. Jeden Tag stand sie sehr früh auf, denn gegen sechs Uhr musste sie am Bahnhof sein. Gemeinsam mit anderen jungen Leuten fuhr sie im ungeheizten Zug - auf Holzbänken, geformt wie Parkbänke - nach München. Die Fahrt dauerte etwa eineinhalb Stunden, denn die Dampflokomotive war langsam und an jeder Station wurde gehalten.
1943/44 kam es zu Bombenangriffen auf München, während derer die Handelsschüler in einem Bunker in der Sendlinger Straße Schutz suchten. Schließlich wurde die Schule wegen der Bomben nach Starnberg ausgelagert, was für Rosi Zollner das Ende der Schulzeit bedeutete, denn täglich so weit zu fahren hätte zu viel Zeit und Geld gekostet. Auch Schulgeld musste man ja noch bezahlen.
Ohne diese Schule abzuschließen arbeitete Rosi Zollner im Pfaffenhofener Bezirksamtsgebäude, (Hauptplatz 22), wo die Kreisleitung ihren Sitz hatte und sie 1944 dem Banndienstleiter (zuständig für die HJ) zugeteilt wurde.


Nachkriegszeit



Das Kriegsende stürzte viele Pfaffenhofener in große Existenzschwierigkeiten. Jeder musste selbst ums Überleben kämpfen, denn soziale Absicherung wie wir sie heute kennen gab es noch nicht, dafür ein Armenhaus.
Max Zollner wurde Mitglied der Pfaffenhofener Spruchkammer, die bei der sog. "Entnazifizierung" mitwirkte.


Wirtschaftswunderjahre



Erst mit der Währungsreform am 20. Juni 1948 ging es durch die D-Mark wieder aufwärts. Jetzt konnten die Pfaffenhofener wieder den Fasching genießen, auf sog. Hausbällen bei Bortenschlager, Krammerbräu, Salverbräu - mit Musik der Kapelle Franz Gary.

1950 konnte Max Zollner das bisher gepachtete Haus in der Auenstraße käuflich erwerben. Geschäftlich profitierte er vom Aufschwung in der Motorisierung. Die Firma Sachs in Schweinfurt bot regelmäßige Schulungen an, an denen er teilnahm, um auf dem Laufenden zu bleiben.

In sein Geschäft kam 1950 ein Vertreter des Mannheimer Fahrradgroßhändlers Walter: Reinhold Bausewein, der Familienanschluss suchte und sich in die Tochter Rosi verliebte. Er zog nach Pfaffenhofen, in die Gritschstraße 21, wo er 30 DM Miete für sein Zimmer bezahlte. Bei Zollners verbrachte er zwar viele Abende neben Rosi auf der Küchen-Ottomane, aber um zehn Uhr kam die Mutter und vertrieb ihn mit den Worten: "Entweder ihr heiratet oder der Kerl muss aus dem Haus." Denn der sogenannte "Kuppelparagraph" stellte es damals unter Strafe, ein unverheiratetes Paar miteinander schlafen zu lassen. Also wurde 1952 geheiratet. Zehn Jahre lang lebte das junge Paar mit in der Auenstraße 36.

Mit dem Wirtschaftswunder begann die Zeit des Reisens, Italien war das Land der Sehnsucht. Auch die Bauseweins machten sich 1946 auf den Weg nach Rimini in einem Dreizylinder-DKW, der den Anstieg zum Großglockner nicht schaffte, und dessen Bremsen regelmäßig an Tankstellen gekühlt werden mussten.


Geschäft und Familie



1964 starb Max Zollner im Alter von erst 62 Jahren. Deshalb musste seine Frau mir der älteren Tochter Rosi das Geschäft ohne ihn betreiben, um ihre Existenz zu sichern. Da die beiden technisch nicht versiert waren, kamen nach Geschäftsschluss zwei Helfer, die anfallende Reparaturen erledigten: der Gatte der jüngeren Tochter und ein ehemaliger Lehrling, der heute selbst ein Fahrradgeschäft in Pfaffenhofen besitzt. Sie hielten sich über Wasser, bis 1972 Rosi ausstieg, um ihren Mann beruflich zu unterstützen, der zur Landesbausparkasse gewechselt hatte und die Zweigstelle in Pfaffenhofen leitete.
So gab Barbara Zollner das Geschäft auf und vermietete die Räume. In den 90er Jahren überschrieb sie das Haus ihren Töchtern, die es später verkauften. Nun befindet sich dort ein Foto-Fachgeschäft.

Frau Zollner lebte im Haus bis zum Alter von 94 Jahren, versorgt von ihren Töchtern. Erst als diese wegen anderer familiärer Belastungen aufgeben mussten, übersiedelte sie in das Altersheim in Scheyern, wo sie bis zu ihrem Tod mit fast 99 täglich von ihren Kindern oder deren Freundinnen besucht wurde.

Die Bauseweins kauften zuerst ein Haus in der Lettnerstraße und dann in Hettenshausen. Nach Reinholds Tod im Jahre 2008 entschloss sich Rosi, wieder nach Pfaffenhofen zu ziehen, wo sie bis zu ihrem Tod am 13. 9. 2023 eine Eigentumswohnung in der Schlachthofstraße bewohnte.



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