Das eher stille "Platzl" am Rande der Pfaffenhofener Altstadt hieß vormals "Badgasse", weil hier das "Innerbad" lag, eine mittelalterliche Badeanstalt innerhalb der Stadtmauer. Den östlichen Abschluss bildet ein ehemaliger Stadtturm, genannt Platzlturm - nach dem Standort - oder Flaschlturm -nach früheren Besitzern.Laut Bayerischer Denkmalliste stammt er im Kern aus dem 15. Jahrhundert, denn er wurde als Teil der Stadtmauer erbaut, sehr bald nach dem verheerenden Stadtbrand von 1388. Er ist einer der drei letzten von ursprünglich 17 Stadttürmen. Nachdem die Mauer im 30-jährigen Krieg wegen neu entwickelter Waffen ihre schützende Funktion verloren hatte, kaufte ein hoher kurfürstlicher Beamter den Turm und den benachbarten "Wurzgarten mit springendem Wasser". Er schuf sich hier ein Sommerhaus, indem er das Gebäude umbaute, mit dem zeittypisch barocken Mansard-Zeltdach versehen ließ und es durch einen Anbau erweiterte. Das war Ende des 17. Jahrhunderts.Etwa hundert Jahre später begann ein reger Besitzerwechsel. Zu den Eigentümern gehören nach Heinrich Streidls "Häuserchronik" unter anderem ein Schäffler und Nachtwächter, ein Sackträger, drei Taglöhner oder "Tagwerker", ein Maurer, ein Gärtner, ein Scherenschleifer und zwischendurch für ein paar Jahre der Katholische Gesellenverein. Die Eintragungen in der Häuserchronik enden mit der Erb-Übertragung an Kreszenz Flaschl im Jahre 1963.Inzwischen gehört der Turm der Stadt Pfaffenhofen. Sie richtete 1988 dort das Joseph-Maria-Lutz-Museum ein, mit Möbeln, Büchern, Manuskripten, Fotos und weiteren kleinen Gegenständen aus dem Besitz des Heimatdichters. Betreut wurde das kleine Museum von seinem Freund, dem Heimatforscher Franz Rutsch. Nach dessen Tod 2010 wurde es geschlossen und schließlich umgesiedelt, auch weil das kleine Baudenkmal restaurierungsbedürftig war.2013 wurde das ungewöhnliche Kleinod in der Altstadt einschließlich des verwilderten Gärtchens grundlegend saniert und vorbildlich restauriert. Im Erdgeschoss befinden sich eine moderne Küche und ein kleiner Waschraum. Eine uralte, steile, leicht geschwungene Treppe führt vorbei an alten Fotos von diesem Turm hinauf zum Wohnraum und zum Schlafzimmerchen. Zwar ist die Einrichtung hier spartanisch, aber nach historischem Vorbild erneuerte Fenster, Mauernischen, tiefe Fensterlaibungen, zurückhaltender Stuck an der Decke, eine großzügige Flügeltür mit barockem Schloss atmen den Hauch der Geschichte. Ganz Neugierige können sich über eine Zugtreppe unter das Dach schleichen und den komplizierten Dachstuhl bewundern.Seit 2013 darf hier für drei Sommermonate der Lutz-Stipendiat wohnen, ein angehender Schriftsteller, der u. a. einen Text über seinen Aufenthalt in Pfaffenhofen schreiben muss. In der übrigen Zeit wird das kleine Baudenkmal als Dependance eines Pfaffenhofener Hotels betrieben. Man kann also hier nächtigen und auf das Erscheinen alter Gespenster hoffen.U. Beyer, August 2019Quellen:Streidl, Heinrich: Häuserchronik der Stadt Pfaffenhofen a.d.Ilm. Pfaffenhofen 1982. S. 97 -98Bayerischer Denkmal-Atlas: http://geoportal.bayern.de/bayernatlas-klassik/ (26. 8. 2019)https://pfaffenhofen.de/artikel/flaschlturm-kuenstler-appartement/ (27. 8. 2019)
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