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Häusergeschichten: Das Bader-Schuster-Haus

Häusergeschichten: Das Bader-Schuster-Haus

i 14. Dezember 2019 von U. Beyer

Ein wechselhaftes Schicksal hatte das kleinste Haus am Pfaffenhofener Hauptplatz (links auf dem Foto aus den 1960er Jahren). Trotz allen Wandels stand es über 150 Jahre lang im Dienste der Gesundheit.

Laut Denkmalliste stammt es von 1808. Nach Heinrich Streidls Häuserchronik wurde es in diesem Jahr aber nur mit Hilfe eines Kredits renoviert, ist also im Grunde älter - viel älter.
Urkundlich nachgewiesen ist das Gebäude seit 1590, weil in diesem Jahr der Besitzer Reinhard Andre "über Verbot Met ausgeschenkt" hatte. Reinhards Sohn ist in der Häuserchronik als Weißbierschenk verzeichnet. Im 30-jährigen Krieg konnte er wegen "Feindruin" seine Kirchenrechnung nicht bezahlen. Seine Witwe verkaufte das Anwesen aber erst Jahrzehnte später an einen Drechslermeister. Für dessen Familie bedeutet ein weiterer Krieg ebenfalls den Ruin. Nachdem im Österreichischen Erbfolgekrieg Panduren raubend und plündernd durch die Stadt gezogen waren, konnte sich der Drechsler wie manch anderer Pfaffenhofener von den Verlusten nicht mehr erholen. Er blieb die Österreichischen Brandsteuercontributionen schuldig und kam auf die "Gant", d. h. er war bankrott.
Sein Haus fiel deshalb 1768 an die Stadt, die es an Ignatius Thomaso, einen Bader und Wundarzt, verkaufte, verbunden mit der Erlaubnis, seine Wirkungsstätte vom Spitalbad außerhalb der Stadtmauer hierher an den Hauptplatz zu verlegen. Zu seinen Aufgaben gehörte das Schröpfen, Aderlassen, die Versorgung von Verletzungen und die Herstellung einfacher Arzneien.
Nach Thomasios Tod heiratete seine Witwe wieder einen Bader, wie es die Zunftordnung verlangte. Nach vier Ehejahren verschwand dieser zweite Gatte aber auf rätselhafte Weise auf Nimmerwiedersehen. War er verunglückt? Wurde er ermordet? Er blieb verschollen. Nun durfte die Baderin das Handwerk selbständig weiterführen, bis sie es ihrem Sohn aus erster Ehe, Ignaz Thomaso, als examiniertem und approbiertem Chirurgen übergeben konnte. Er war es, der 1808 das Haus instand setzen ließ. (Gegen einen Neubau in diesem Jahr spricht auch, dass hier von 1803 bis 1810 der Unterricht für die jüngeren Schulkinder stattfand, während die oberen Klassen im Speisesaal des ehemaligen Franziskanerklosters untergebracht waren. (A. Schurius: Pfaffenhofen an der Ilm im Wandel der Zeit- S. 164)
Da die Chirurgie für den Lebensunterhalt nicht ausreichte, bekam Ignaz Thomaso vom Stadtmagistrat die Genehmigung zur gewerblichen "Fertigung von Makronennudeln". Sicher ein ungewöhnlicher Nebenerwerb.
Das Baderhandwerk betrieben seine Nachkommen jedoch bis nach 1900. Nach dem letzten richtete sich der Hausname Bader-Schuster- Haus, der aber längst in Vergessenheit geraten ist.
Schließlich wechselte das Gebäude wieder den Besitzer, und da die Zunftordnung nicht mehr galt, konnte es anders genutzt werden. Vorübergehend befand sich darin u. a. die Redaktion des Ilmgau Kurierns (heute Pfaffenhofener Kurier). Und seit Jahrzehnten werden wieder Arzneimittel in diesem Hause hergestellt bzw. verkauft: in der Marktapotheke.

Text: U. Beyer, Januar 2018
Foto: Stadtarchiv
Quellen:
http://www.kleio.org/de/geschichte/mittelalter/alltag/kap_vii4 (31-12-2017)
Adelheid Schurius: Die Stadt Pfaffenhofen an der Ilm im Wandel der Zeit. Pfaffenhofen 2017
Heinrich Streidl: Häuserchronik der Stadt Pfaffenhofen a. d. Ilm. W. Ludwig Verlag Pfaffenhofen 1982
Heinrich Streidl: Stadt Pfaffenhofen a. d. Ilm. W. Ludwig Verlag Pfaffenhofen 1980²
(Alle Zitate nach Streidl)


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