Neues und Historisches

Pfaffenhofens Juwel vom oberen Hauptplatz Pfaffenhofens Juwel vom oberen Hauptplatz

Pfaffenhofens Juwel vom oberen Hauptplatz

i 9. November 2023 von U. Beyer

Eines der schönsten Baudenkmäler unserer Stadt wird derzeit wieder instandgesetzt und nähert sich der Vollendung: Das Gebäude der Müllerbräu-Verwaltung neben der Spitalkirche.

Ende des 19. Jahrhunderts beauftragten Anton und Karolina Müller ein namhaftes Nürnberger Baubüro damit, ein repräsentatives Bürgerhaus für den Hauptplatz in Pfaffenhofen zu planen. Die Architekten Josef Ochsenmayer und Heinrich Wißmüller hatten in Nürnberg bereits prachtvolle Gebäude im damals modernen Stil des Historismus wie z. B. Neogotik, Neorenaissance, Neobarock und Neorokoko gebaut. Nach dem Prinzip „variatio delectat“, d. h., „Abwechslung gefällt“, verschrieben sie sich dazu, das Auge durch vielfältige Gestaltungselemente in höchster Qualität zu erfreuen. Die originalen und unversehrten Planzeichnungen der Architekten sind bis heute erhalten. Vier Generationen der Familie Müller haben sich seither um die Erhaltung und Pflege des Hauses gekümmert.

Das Gebäude am Hauptplatz 36 trägt die Jahreszahl der Erbauung 1891 auf der Ostseite der Fassade und ist im Stil der Neorenaissance erbaut worden. Die Formenelemente entsprechen hier Vorbildern der antiken Renaissance und folgen streng symmetrisch angeordneten Fenstern und horizontalen Gestaltungsebenen: Ostseite, Erker und Südseite besitzen je Ebene fünf Fenster, bzw. vier Fenster und eine Tür im Osten.
Im Erdgeschoss imitiert der Verputz geschnittene Natursteinblöcke. Ein reichhaltiger Konsolenfries setzt es von den Obergeschossen ab. Jedes Stockwerk unterscheidet sich von den anderen durch eine eigene Fensterbekrönung.
Der Verputz ahmt Naturstein oder pflanzliche Ornamente, ja sogar metallische Formen nach oder bildet Rahmen. Wer genau hinsieht entdeckt Muscheln, Blüten, Blätter, Früchte, Engelchen etc.

Vom fünfseitigen Eck-Erker aus genießt man einen 270-Grad weiten Blick über den oberen Hauptplatz. Er trug zur Erbauungszeit einen hoch aufragenden filigranen Glockenturm mit Spitzdach und wurde später bis zur heutigen Glockenhaube aus Kupferblech zurückgebaut. In der schiefergedeckten Dachlandschaft des Mansardenwalmdaches gab es auf der Süd- und Ostseite zudem je eine große, reich verzierte Dachgaube, flankiert von je zwei metallgerahmten runden Ochsenaugen, die jedoch auf einer Fotografie aus dem Jahre 1961 ebenso wie das hohe Turmdach nicht mehr zu sehen sind und zuvor wahrscheinlich durch Materialermüdung und Oxidation des verzinkten Stahlbleches ebenfalls rückgebaut werden mussten. Weitere 70 Jahre später wurden nun in Absprache mit dem Landesamt für Denkmalpflege neue, große Flächenfenster eingebaut, um mehr Licht ins Dachgeschoss zu lassen. Der Dachstuhl des Gebäudes ist aber weiterhin originalgetreu erhalten, da die Balken auch vor den Fenstern im Innern nicht abgeschnitten wurden.

Die Restaurierung des Baudenkmals ist zum großen Teil abgeschlossen und durfte nun durch den Heimat- und Kulturkreis Pfaffenhofen besichtigt werden. Die Hausbesitzer Lisa und Manuel Müller öffneten Ihre Räume und der Zahnarzt Dr. Vrana machte seine Praxis zugänglich. Die Restauratorin und Vereinsmitglied Maria Cetinbas gab Erläuterungen zur Baugeschichte und Architektur.

Die Besichtigung begann mit der Fassade, die bereits jeder bewundern kann. Fünf ehemalige Farbfassungen hatte die Untersuchung der noch bestehenden Reste der alten Anstriche ergeben. Die Erarbeitung und Umsetzung des dreitonigen Farbkonzepts durch Maria Cetinbas basiert auf der zweiten Fassung auf Süd- und Ostseite und imitiert die Farben von drei verschiedenen Sandsteinarten. Sie schlug zudem vor, die Fruchtgirlanden mehrfarbig zu fassen und die kompass-ähnlichen Formen auf der Süd- und der Ostseite zu vergolden. Ihr Vorschlag erhielt die wohlwollende Zustimmung durch das Landesamt für Denkmalpflege. Auf der Nord- und Westseite wurden die Malerarbeiten in einer Arbeitsgemeinschaft mit Malermeister Andreas Küster und Bautechniker und Stuckateur Thomas Schaad umgesetzt.

Bevor jedoch der neue Farbaufbau begonnen werden konnte, stand eine zeitraubende Putzinstandsetzung an. Da der letzte Anstrich aus einer sogenannten „Elefantenhaut“ (einem stark kunststoffhaltigen Dispersionsanstrich in Latexqualität) bestand, verlor der darunterliegende Kalkputz seine Festigkeit.
Der gesamte Latexanstrich musste mit 95 Grad heißem Wasser und etwas Druck abgenommen werden und die mürben Putzstellen restauriert werden. Diese Aufgabe wurde unter der Leitung von Thomas Schaad und der Firma Hechinger mit Erwin Hilpert und Bernd Brosius in monatelanger Arbeit bewerkstelligt.
Im Inneren des Hauses wurde das geräumige Dachgeschoß im Zuge der Instandsetzung durch das Architekturbüro Maximilian Hechinger umgebaut. Die historischen Dachbalken bilden einen wunderschönen Kontrast zu den hellen gespachtelten Fußböden und Wänden. Diese Arbeiten wurden von Andreas Küster und Geselle Erol Ajdarpasic ausgeführt. Die einzelnen Balken mussten in mühevoller Handarbeit durch Schreinermeister Bernhard Kreitmair abgebürstet und vom Jahrhundertschmutz befreit werden. Die Dachkonstruktion ist auch nach der jetzigen Einteilung in unterschiedliche Räume deutlich sichtbar geblieben und gibt dem großzügigen, lichtdurchfluteten Geschoß eine unvergleichliche Atmosphäre. Die Gestaltung unterlag ebenfalls denkmalschutzrechtlichen Auflagen und zudem hohen brandschutzrechtlichen Vorgaben.

Im Erdgeschoss und im ersten Stock befindet sich eine Zahnarztpraxis. Hier gibt es noch die ursprünglichen Stuckaturen an den Zimmerdecken, originale Fenster und Türen, beides mit historischen Griffen. Besonders fallen die repräsentativ gestalteten Türrahmen auf. Wahrscheinlich schmerzt hier eine Zahnbehandlung weniger, wenn der Patient die Stuckverzierungen an der Decke studiert.

Das Treppenhaus mit seinem schmiedeeisernen Geländergitter und dunkelbraunen Holzstufen ist noch nicht fertig. Hier werden nach der Renovierung die großflächigen, originalen Planzeichnungen der Architekten aufgehängt. Auch die Haustür mit historistischem Schnitzdekor stammt noch aus der Bauzeit und weist kaum Veränderungen und Schäden auf. Sogar das alte Klingelschild ist einen Blick wert. Es lohnt sich, bei einem Zahnarztbesuch die Planzeichnungen im Treppenhaus zu bewundern oder bei einbrechender Dunkelheit in die erleuchteten Fenster zu spitzen.
Der Heimat- und Kulturkreis Pfaffenhofen a. d. Ilm e. V. dankt allen Beteiligten dafür, dass sie diese hochinteressante Hausbesichtigung ermöglicht haben.

Text: Ursula Beyer mit Unterstützung von Maria Cetinbas, Oktober 2023
Fotos: Stadtarchiv, Maria Cetinbas, Ursula Beyer

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